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Unser Herz schlägt fürs Labor

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 2/2024

Spätestens seit der Coronapandemie ist die Labormedizin aus ihrem Schattendasein und ihre Bedeutsamkeit in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt. Und doch bleiben MTL mit ihrer bedeutenden Funktion oft im Verborgenen. Vier MTL-Azubis und ihr Schulleiter lenken den Blick auf die Faszination ihres Berufs und auf aktuelle Entwicklungen

Text: Verena Fischer
Fotos: Lisa Notzke

„Auf diesem Platz habe ich vor zwanzig Jahren gesessen“, erzählt Daniel Joseph Möller und zeigt auf einen kleinen Holzstuhl in der zweiten Reihe des Schullabors der Kölner Uniklinik. Etwas Nostalgie schwingt mit, als der dynamische 40-Jährige, der heute die MTL-Schule an der Uniklinik leitet, von seiner eigenen Ausbildungszeit berichtet. Gleichzeitig ist ihm die Freude an Veränderungsprozessen rund um die MTL-Ausbildung, die er heute aktiv mitgestaltet, förmlich anzusehen. Es liegt ihm am Herzen, seinen Schülerinnen und Schülern den besten Start in einen Beruf zu ermöglichen, für den er selbst brennt, seit er 16 Jahre alt ist. „Ich brauche Innovationen und muss Veränderungen sehen“, sagt er. Und davon gibt es gerade einige, denn vor Kurzem ist das neue MTA-Reformgesetz in Kraft getreten (siehe Kasten). Wie Auszubildende die neuen Entwicklungen bewerten und wo sie noch Handlungsbedarf sehen – xtra hat nachgefragt.

SICHTBARER ZU WERDEN, IST DAS ZIEL

Trotz der hohen gesellschaftlichen Relevanz des MTL-Berufs verdichtet sich der Nebel rund um das Berufsbild wieder. „Mich stört diese fehlende Sichtbarkeit“, sagt Ava aus dem Mittelkurs der Kölner MTL-Schule. „Als ich die Ausbildung anfing, konnte niemand aus meinem Bekanntenkreis etwas mit dem Begriff MTL anfangen. Das finde ich schade.“

„Der Beruf ist so unglaublich relevant und wird so wenig gesehen – ich wollte einfach mehr darüber erfahren.“ Sie hofft zukünftig auf weniger Missverständnisse: „Wir werden oft als rein assistierende Kräfte gesehen. Das zu ändern, wäre schön.“

Alina klinkt sich ein: „Das stimmt. Sogar im Krankenhaus wissen viele Mitarbeitende wenig über die Laborarbeit. Wenn Proben hämolytisch werden, dann sind sofort die MTL schuld. Dass so etwas auch in der Präanalytik passieren kann, weiß kaum jemand.“ Sie ergänzt: „Wir machen ein Praktikum in der Pflege. Andersrum passiert das nicht.

Das sollte sich ändern.“ Anschließend kritisiert Lina: „Im Krankenhaus sind Labore oft sogar im Keller untergebracht.“ Herr Möller gibt seinen Schülerinnen recht, ergänzt aber auch: „Es gibt noch viel zu tun“, und die Hauptverantwortung dafür sieht er bei den MTL-Schulen und den Laboren selbst: „Wenn wir uns nicht zeigen, dann können uns die Menschen nicht sehen“, sagt er.

DIE BEDEUTUNG DER SPRACHE

Ein erster, wichtiger Schritt zu mehr Anerkennung ist bereits getan – mit der Löschung des Assistenzbegriffs aus der Berufsbezeichnung. Heute nennen sich Laborfachleute nicht mehr medizinisch-technische Laborassistenz, sondern medizinische Technologin oder medizinischer Technologe für Laboratoriumsanalytik. Ein großer Fortschritt, finden die Azubis: „Es ist schon lange nicht mehr so, dass Laborfachleute in erster Linie den Ärzten assistieren. Und jetzt sind wir auch offiziell davon weg“, sagt Lys. „Die neue Bezeichnung klingt viel besser“, findet Lina. „Und ist zutreffender“, ergänzt Alina. „MTL arbeiten sehr selbstständig und werden dank der neuen Bezeichnung nun auch so wahrgenommen.“

UNTER DER LUPE: DIE NEUE AUSBILDUNGSSTRUKTUR

Mehr Praxis, mehr Professionalität, modernere Strukturen – das neue MT-Berufe-Gesetz und die neue MT-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung sollen die MTL-Ausbildung auf ein neues Level heben. Alina, Lys und Ava, die jetzt im zweiten Ausbildungsjahr sind, gehören zu den ersten, die nach dem neuen Konzept lernen. „Wir sind ein bisschen die Versuchskaninchen für den Unterkurs“, scherzt Alina und erklärt, „bei uns wird das neue Curriculum mit dem Modulsystem ausgetestet und dann für den Unterkurs angepasst und verbessert.“

Bei dem neuen Modulsystem ist es so, dass Lerninhalte nicht mehr nach Fächern, sondern nach Organsystemen strukturiert sind. „Als Erstes steht das Harnsystem auf den Plan“, berichtet Lys. „Wir lernen also gleichzeitig die Anatomie, Histologie und Klinische Chemie von den Nieren und ableitenden Harnwegen.“ „Dadurch versteht man die Zusammenhänge besser“, kommentiert Alina. Im Unterkurs sei es zudem so, dass Untersuchungsmethoden erst praktisch vorgeführt und dann theoretisch behandelt werden. „Das hilft, den klinischen Nutzen sofort zu verstehen“, sagt Lina. Praxis ist generell ein wichtiges Stichwort: „Schon im ersten Ausbildungsjahr stehen mehrere Praxiseinsätze an, während es damit früher erst im dritten Ausbildungsjahr losging“, berichtet Ava. „Diese Änderung finde ich klasse“, sagt Alina. „Denn so merken wir frühzeitig, ob uns die Laborarbeit wirklich liegt.“

Gleichzeitig ist es für Ausbildungslabore neuerdings Pflicht, Praxisanleitende für Azubis zu beschäftigen. „Bei uns gab es anfangs nicht in jedem Labor Verantwortliche. Daher wissen wir, dass der Lernerfolg extrem unter fehlender Betreuung leidet“, berichtet Alina. Lys erklärt: „Es nimmt einen dann keiner an die Hand und man wird oft irgendwo geparkt.“ Ava: „Es ist auch so, dass wir an sehr teure Testverfahren oder sehr wertvolles Patientenmaterial nur mit Anleitenden ran dürfen.“ Lina fährt fort: „Indem wir professionell angelernt werden, können wir von Anfang an kleine Aufgaben übernehmen und Mitarbeitende entlasten. Alle profitieren davon.“

Zusätzlich zu dem Plus an Praxis haben sich auch die Prüfungen aus dem Schullabor ins echte Labor verlagert: „Das ist sinnvoll“, kommentiert Lina. „Denn die Technologien entwickeln sich sehr schnell, und das Schullabor unterscheidet sich deutlich vom realen Arbeitsplatz.“


INHALTE DES MTA-REFORMGESETZES 

Im Jahr 2020 hat Jens Spahn das MTA-Reformgesetz auf den Weg gebracht, das am 1. Januar 2023 in Kraft getreten ist. Ziel des Gesetzes ist es, die Ausbildung „zeitgemäß attraktiv auszurichten und zukunftsorientiert weiterzuentwickeln“, so das Bundesgesundheitsministerium. Die wichtigsten Änderungen: 

Neue Berufsbezeichnung: 
medizinische Technologin/medizinischer Technologe für Laboratoriumsanalytik (MTL) statt medizinisch-technische Laboratoriumsassistenz (MTLA) 

Mehr Praxis:
Erweiterung des praktischen Ausbildungsanteils 

Mehr Professionalität:
bundesweit einheitliche Ausbildungsinhalte und -qualität 

Finanzielle Anreize: 
Ausbildungsvergütung statt Schulgeld 


 

„Ich brauche Innovationen und muss Veränderungen sehen“

DANIEL JOSEPH MÖLLER, Leiter der MTL-Schule an der Uniklinik Köln

GESAMTANALYSE STATT STICHPROBE

Im Lauf der Ausbildung bekommen Auszubildende tiefe Einblicke in alle Laborbereiche. „Bei jedem Einsatz wechselt das Labor“, sagt Ava, die gerade in einem Krankenhauslabor lernt. „Wir sind logischerweise überwiegend in der Uniklinik Köln untergebracht“, kommentiert Lys. „Aber nicht nur. Kürzlich war ich in einem kleinen Labor in Bonn, das auf Hämostaseologie und Transfusionsmedizin spezialisiert ist. Jetzt bin ich im Zentrallabor mit einem massiven Probenaufkommen. Wir lernen also ganz unterschiedliche Arbeitsweisen kennen.“

Alina macht gerade in der Pathologie der Uniklinik Köln einen Praxiseinsatz. „Zuvor war ich in einem Privatlabor mit dem Schwerpunkt Toxikologie“, erinnert sie sich. „Es ist super cool, dass wir so viel rumkommen. So können wir herausfinden, wo es uns hinzieht, und wir lernen vielleicht schon Labore kennen, in denen wir später gern arbeiten möchten.“ An der Uniklinik Köln folgt im letzten Ausbildungsjahr noch ein sechswöchiger Wahleinsatz. „Das gibt es aber nicht an allen MTL-Schulen“, sagt Lina, die kürzlich in einem Forschungslabor praktiziert hat, was sie sehr begeistert hat.

DIE ANALYSE: AUSBILDUNG VS. STUDIUM

Alle vier Azubis haben auch schon über ein Medizinstudium nachgedacht. Aber Studienplätze sind bekanntlich rar, und nicht allen gefällt es, sich sechs Jahre oder länger primär mit Auswendiglernen zu beschäftigen – unter massivem Zeit- und Leistungsdruck. Auch in der eher anonymen Atmosphäre einer großen Universität fühlen sich nicht alle wohl. „In unserer Schule ist es sehr familiär. Wir haben kleine Kurse und eine angenehme Lernatmosphäre“, berichtet Ava. „Wer sich für Technologien interessiert, ist in der MTL-Ausbildung richtig“, sagt Lina. Der fehlende Patientenkontakt im Studium kann ebenfalls für die Ausbildung sprechen: „Es gibt viele, die ein direktes Arbeiten mit Erkrankten seelisch belastet“, erklärt Lys. Zudem sei die MTL-Ausbildung der direkteste Weg ins Labor: „Als Studentin hätte ich mich erst nach sechs Jahren auf Labormedizin spezialisieren können“, führt Alina an.


ONLINEPORTAL SYSMEX CARESPHERE ACADEMY

Um der Digitalisierung im Lernumfeld gerecht zu werden, setzt Schulleiter Möller unter anderem auch auf das Onlineportal der Sysmex Caresphere Academy. Die teils kostenlosen Schulungsvideos und Webinare bieten dabei eine wertvolle und anschauliche Schulungsunterstützung mit Bezügen zu realen Praxisfällen.


 

PARAMETER DER FASZINATION

Mikroskopische Zell- oder Proteinanomalien aufzuspüren, kann für Erkrankte lebensrettend sein. „Das zu sehen, was sonst keiner mitbekommt, begeistert mich“, sagt Ava. Auch der Facettenreichtum des Berufsbilds gefällt: „Da ist für jeden etwas dabei“, sagt sie. „Es wird uns ein enormes Hintergrundwissen über den menschlichen Körper vermittelt“, berichtet Lys. Die Technik der Blutanalytik kennenzulernen und zu erfahren, was sich alles anhand der Biomarker über die Gesundheit aussagen lässt, sei beeindruckend. „Mich fasziniert es, so nah an der Diagnose und teils auch der springende Punkt dabei zu sein“, sagt Alina und gibt ein Beispiel. „Wenn wir in der Mikrobiologie den Keim identifizieren, kann darauf aufbauend die Therapie starten.“ Ihr gefällt es, nicht die komplette Verantwortung zu tragen. „Wir finden die Ursache für Erkrankungen und das war’s. Danach übernehmen die Ärzte.

Als Schulleiter managt Daniel Joseph Möller die MTL-Ausbildung an der Uniklinik Köln. Im Interview spricht er darüber, wie sich die Ausbildung und das Berufsbild wandeln und welche Rolle dabei Technologien spielen

Als Schulleiter managt Daniel Joseph Möller die MTL-Ausbildung an der Uniklinik Köln. Im Interview spricht er darüber, wie sich die Ausbildung und das Berufsbild wandeln und welche Rolle dabei Technologien spielen

„WIR WERDEN EINEN DRITTEN LERNORT IM BEREICH VIRTUAL REALITY HABEN“

DANIEL JOSEPH MÖLLER (40)

  • Leiter der MTL-Schule an der Uniklinik Köln  
  • Werdegang: MTL-Ausbildung in Köln (2004), 10 Jahre im MTL-Beruf, Fortbildung zum Lehr-MTA (2012), Lehrer an einer Berliner MTA-Schule (ab 2014), Bachelor in Healthcare-Education (2020), Master in Gesundheitspädagogik (2024) und Leitung der MTL-Schule an der Uniklinik Köln (seit 2020), ehrenamtliche Mitarbeit bei der Erstellung des neuen Ausbildungsrahmenlehrplans (2023), leitet Aktualisierungskurse für praxisanleitende Personen (seit 2023)

Vor 20 Jahren waren Sie selbst MTL-Azubi an der Uniklinik Köln. Was hat sich seitdem verändert?

Alles (lacht). Also fast. Die Räumlichkeiten hier sind zum Beispiel noch immer die gleichen. Aber damals war die Ausbildung sehr schulisch. Wir hatten in den ersten zwei Jahren nur Unterricht. Jetzt wird schon im ersten Jahr Laborluft geschnuppert. Wir unterrichten heute vier Tage in Präsenz und einen Tag online mit selbst gesteuerten Aufträgen. Wir legen viel Wert auf Eigenverantwortlichkeit. Die Ausbildung ist heute kompetenzorientiert und ganzheitlich. Neben der Fachkompetenz vermitteln wir Softskills wie Kommunikation, Kollaboration und Metakognition. Auch die Azubis haben heute andere Wünsche – sie sind viel affiner für Wissenschaft und Technik. Dadurch haben wir auch immer mehr männliche Bewerber.

Wie wird sich die MTL-Ausbildung zukünftig wandeln?

Es kommen viele Veränderungen auf uns zu. Wir haben die Themen Digitalisierung, KI und Virtual Reality. Das wird sehr spannend, und ich denke, dass wir einen dritten Lernort im Bereich VR bekommen könnten. Daher weiß ich nicht, ob wir das Schullabor zukünftig überhaupt so bedienen wie bisher. Denkbar ist, dass sich die Technik so weit entwickelt, dass wir lebensechte Szenarien virtuell realgetreu darstellen können. Ich glaube, dass uns VR und KI in den nächsten fünf Jahren ganz neu aufstellen werden.

Welche Veränderungen ergeben sich daraus für das Berufsfeld?

Einmal vorweg: Ich bin überzeugt, dass wir immer Menschen und nie nur Robotik und Co. im Labor haben werden. Wir müssen uns vielleicht aber daran gewöhnen, mit Robotik und Humanoiden zu tun zu haben. Insgesamt wird der MTL-Beruf technischer werden. Was wir sicher brauchen werden, sind Medizintechnologinnen und -technologen. Also MTL, die programmieren und konfigurieren können. Ebenfalls denkbar ist, dass einige MTL näher an den Arztberuf rücken. Dafür wäre es wichtig, dass Deutschland, zusätzlich zur Ausbildung, ein MTL-Studium etabliert, was es in der Schweiz und in Österreich übrigens schon gibt. Mit einem Studium auf Bachelorniveau ließe sich ein MTL-Karriereweg etablieren, der mehr Verantwortung im Bereich der Befundung und Validation bekommt. Durch die Akademisierung wären Hierarchien fließend. Insgesamt glaube ich, dass die technologischen Entwicklungen gut zum Zeitgeist passen. Ich nehme die Generation Z so wahr, dass ihnen Freizeit wichtig ist, was ich gut finde. Der Ausbau von Technologien kann eine gute Voraussetzung für eine bessere Work-Life-Balance sein.

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