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Dort, wo es drauf ankommt

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 1/2024

Regionalärztinnen und -ärzte des Auswärtigen Amts versorgen nicht nur das diplomatische Personal, sondern auch reisende EU-Bürgerinnen und -bürger in medizinischer Not. Unersetzlich dabei sind leistungsfähige kleine Labore

Text: Tom Rademacher

Schon der Anblick rührt manche zu Tränen: Dr. Friederike Besch ist Ärztin und ihr Arbeitsplatz gleicht jeder Hausarztpraxis in Deutschland. Aber Dr. Besch arbeitet in Ghana, als Regionalärztin des Auswärtigen Amts. „Wenn Deutsche hier im Land krank werden, haben sie manchmal schon eine kleine Odyssee durch katastrophal ausgestattete Krankenstationen hinter sich, ehe sie bei uns ankommen“, sagt Dr. Besch. Junge Freiwilligendienstleistende zum Beispiel, fiebrig und abgemagert durch Malaria, Denguefieber oder einen der hiesigen bakteriellen Infekte und Parasiten, denen ortsfremde Immunsysteme wenig entgegenzusetzen haben. Die moderne Praxis – komplett mit Labor, reich bestückten Apothekerschränken und deutschsprachigem Personal – ist dann die Erlösung. „Da fließen schon mal Tränen der Erleichterung“, sagt Dr. Besch.

 

Netzwerk weltweit

Der zweistöckige Bau zwischen Palmen mitten in Ghanas Hauptstadt Accra gehört zu einem Netzwerk von zehn Regionalarztdienststellen, die das deutsche Auswärtige Amt auf fünf Kontinenten betreibt: in Russland, dem Libanon, in Indien, Indonesien, China, Argentinien, Mexiko, Südafrika, Kenia und eben in Ghana. Sie sichern die medizinische Versorgung des Botschaftspersonals. Außerdem sind die Regionalärztinnen und -ärzte Anlaufstelle für reisende Deutsche und EU-Bürgerinnen und -Bürger, die in medizinische Not geraten – egal ob auf dramatische Art durch Verkehrsunfälle, Flugzeugabstürze oder Herzinfarkte oder eben durch ortstypische Infektionen. „Durchfall war unser Tagesgeschäft“, sagt Margit Lew nur halb im Scherz über ihre Zeit als medizinisch-technische Assistentin (MTL) in Mexiko und Südafrika. Lew ist heute leitende MTL beim Gesundheitsdienst des Auswärtigen Amts in Berlin, zu dem alle Regionalarztdienststellen gehören.

Der Gesundheitsdienst des Auswärtigen Amts, gewissermaßen der Betriebsarzt des deutschen Außenministeriums, betreut medizinisch und psychologisch alle 12.000 Mitarbeitenden des Amts in Berlin und weltweit – zudem noch die des Bundesrechnungshofs und des Deutschen Archäologischen Instituts. Rund 50 Personen arbeiten im ersten Stock der Behörde am Werderschen Markt in Berlin: Ärztinnen und Ärzte für verschiedene Bereiche, Psychologinnen und Psychologen sowie MTL. Neben den üblichen arbeitsmedizinischen Aufgaben gehören hier Tropenmedizin und exotische Impfungen zum Alltag. „Wir stellen zum Beispiel die Tropentauglichkeit fest oder beraten Diplomaten und ihre mitreisenden Angehörigen vor der Entsendung“, erklärt Margit Lew. Nebenbei koordiniert Lew die technische Ausstattung der Regionalarztpraxen in aller Welt.

Allein auf weiter Flur

Wie die Diplomatinnen und Diplomaten selbst, rotieren auch die Ärztinnen, Ärzte und MTL: In der Regel vier Jahre am Stück verbringen sie an einer der Regionalarztdienststellen, ehe es für zwei Jahre wieder zurück ins Berliner Hauptquartier geht. Für Dr. Besch ist Ghana die erste Auslandsstation als Regionalärztin. Erst 2019 hat sie ihre eigene Praxis in Kiel aufgegeben, um beim Auswärtigen Amt anzuheuern. Simone Stier, ihre MTL in Accra, ist schon länger dabei: Sie wechselte 1992 von der Uniklinik Bonn zum damals noch dort ansässigen Auswärtigen Amt. Allein in Kenias Hauptstadt Nairobi war Stier seither in Summe 13 Jahre.

Stiers lange Erfahrung und ihr voll ausgestattetes Labor haben besonderen Stellenwert. Oft gibt es in weitem Umkreis der Botschaft kaum vergleichbar verlässliche Diagnostik. „Man ist schon sehr auf sich allein gestellt“, sagt die MTL. „Umso wichtiger sind eine gute Einarbeitung und ein verlässlicher Standard in den Praxen.“ Von Berlin aus achtet Margit Lew deshalb darauf, dass die Laborausstattung weltweit einheitlich und dank einer regelmäßigen Teilnahme an Ringversuchen auf die Messergebnisse Verlass ist. „Nur so können wir hier ab Tag eins effektiv arbeiten“, meint Stier.

Wertvolle Zeit

Wenngleich die Regionalarztdienststelle einer normalen Hausarztpraxis in Deutschland prinzipiell sehr ähnelt, ist der Alltag doch ein anderer: „Der Kontakt zu den Patienten ist deutlich intensiver und umfassender“, meint Dr. Besch. Statt bis zu 100 Patientinnen und Patienten am Tag sieht die Ärztin in Accra in ihrer vormittäglichen Sprechstunde selten mehr als zehn. Dafür wird praktisch alles gleich beim ersten Besuch erledigt: Gespräch, Diagnostik, Laboruntersuchungen, Therapieplan und zum Schluss die Medikamentenausgabe. Zwischendrin warten die Patientinnen und Patienten auf der überdachten Veranda unter surrenden Deckenventilatoren. „Üblicherweise ist für die Patienten hier nach maximal zwei Stunden alles erledigt“, sagt Dr. Besch.

Möglich machen das Simone Stier und ihr voll ausgestattetes Labor. Ob EKG oder Blutbild und Klinische Chemie, ob Urin- und Stuhlanalytik oder seit der Covid-Pandemie diverse PCR-Tests – Stier kann hier praktisch alle wichtigen Parameter schnell und komplett selbst bestimmen. Muss sie auch. „Es gibt ja keine Dienstleister, die das übernehmen.“

Diese patientennahe Laborarbeit spart wertvolle Zeit. „In den Tropen ist jede Fiebererkrankung ernst zu nehmen“, erklärt Dr. Besch. „Wir müssen schnell wissen, womit wir es zu tun haben.“ Virus oder Parasit, Dengue, Influenza oder Malaria? Nur mit der richtigen Diagnose ist auch eine effektive Therapie möglich. Oft leistet Stier dabei wahre Detektivarbeit. „Ich verlasse mich nie nur auf den Malaria-Schnelltest, sondern schaue mir meist zusätzlich einen Ausstrich an“, erklärt sie. Ihre mehr als 30 Jahre Erfahrung zahlen sich dabei immer wieder aus. „Unersetzlich“ nennt Stier außerdem das sogenannte Point of Care Testing (POCT), die kompakten und automatisierten Geräte, mit denen sie in der Regel binnen einer guten halben Stunde ein komplettes Blutbild, die Klinische Chemie oder multiple PCR-Tests durchführt.

Segensreich kompakt

Dem beim Denguefieber typischen Thrombozyten-Abfall kommt Stier so zum Beispiel mit „ihrem Pochi“ (pocH-100i®) auf die Spur. Die Leberwerte aus dem Piccolo (Piccolo Xpress®) geben schnell Aufschluss darüber, wie es um Malaria-Patientinnen und -Patienten akut bestellt ist. Noch im vergangenen Herbst habe sich das neue PCR-Gerät beim großen Influenza-Ausbruch in der Botschaft als „segensreich“ erwiesen, erinnert sich Stier.

Gerade die kompakten Geräte haben einen weiteren Vorteil: Das Duo Besch und Stier betreut auch das Botschaftspersonal in 17 weiteren Ländern Westafrikas. Von Mauretanien bis zum Tschad ist Besch für sie per Mobiltelefon 24 Stunden an sieben Tage der Woche erreichbar. Zudem bereisen beide regelmäßig alle 17 Botschaften. Dann wird praktisch das komplette Labor ab- und für mehrere Tage vor Ort aufgebaut. Entsprechend verpackt müssen die Geräte den ruppigen Transport in kleinen Flugzeugen und auf Trucks überstehen. Neben Impfungen, hausärztlichen Konsultationen und Erste-Hilfe-Kursen bieten Besch und Stier bei diesen Visiten dann medizinische Check-ups für alle Beschäftigten der Botschaft an – von der Botschafterin oder dem Botschafter bis zu Gärtnerin oder Gärtner. Die POCT-Geräte laufen dann im Dauerbetrieb.

Die Botschaftsangehörigen, ihre Familien und erst recht Reisende in Not wissen die besondere medizinische Versorgung vor Ort sehr zu schätzen. Aber auch das medizinische Personal selbst liebt die Arbeit: Weder Simone Stier noch Dr. Friederike Besch haben den Schritt ins Ausland je bereut. Im Gegenteil, sagt Dr. Besch: „Das hier ist der schönste Job der Welt!“

Summary

  • Das deutsche Auswärtige Amt betreibt zehn Regionalarztdienststellen weltweit
  • In den Praxen werden neben den Botschaftsangehörigen auch Reisende aus Deutschland und der EU versorgt
  • Kompakte POCT-Geräte liefern dabei in kurzer Zeit Ergebnisse und lassen sich gut transportieren
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