Sysmex Suisse
Menu

„Krebskranke leben heute viel länger“

XTRA-ARTIKEL AUSGABE 1/2022

Seit über 30 Jahren fördert die Stiftung „Krebsforschung Schweiz“ wissenschaftliche Projekte, die die Überlebenschancen und Lebensqualität Krebserkrankter steigern. Im Interview spricht Präsident Prof. Thomas Cerny über Forschungserfolge und neue Therapien

Text: Verena Fischer

Herr Prof. Cerny, wie steht es um die onkologische Forschung in der Schweiz?

Die Schweiz hat über die letzten Jahrzehnte viel Anerkennung für onkologische Forschung bekommen. Vor allem für die Grundlagenforschung sowie für Beiträge zu immuntherapeutischen Optionen, die wir heute mit monoklonalen Antikörpern, zellulären Immuntherapien und Kombinationen erfolgreich anwenden. Insgesamt ist die Onkologie seit 30 Jahren eines der Forschungsgebiete, die sich am schnellsten und am breitesten entwickeln. Wenn wir uns sehr häufige Tumore anschauen, wie Darm-, Brust- oder Lungenkrebs, hat es erhebliche Fortschritte gegeben. Krebskranke leben heute viel länger, und dank der Immuntherapie ist es so, dass selbst fortgeschrittene Tumore häufiger langfristig unter Kontrolle bleiben oder heilbar sind.

Stichwort Immuntherapien: Was gibt es Neues aus dem Bereich der Leukämien?

Leukämien sind die Nummer eins, wenn es darum geht, immunologisch Tumorzellen zu eliminieren. Mittlerweile haben wir die fünfte Generation von CAR-T-Zellen. Bei diesen N-CART- Zellen handelt es sich um natürliche Killerzellen, die unter Umständen gar nicht mehr nur von einzelnen Patientinnen und Patienten stammen oder genetisch verändert werden müssen, sondern patientenunspezifisch hergestellt werden. Die Technologie befindet sich gerade in ersten klinischen Evaluationen und wir erwarten wichtige Erfolge.

Mit welchen Innovationen rechnen Sie noch?

Wir sprechen ja heute von der Präzisionsonkologie. Das heißt, Tumore werden individuell auf molekularer Ebene analysiert, um maßgeschneiderte Therapien zu entwickeln. Diese hoch präzisen personalisierten Therapien werden im Fokus der Krebsforschung bleiben. Da Tumore nichts Stabiles sind, müssen Therapien stets angepasst werden. Im Prinzip wie beim Coronavirus, für den es jetzt einen omikronspezifischen Impfstoff braucht. Tumorzellen haben, wie auch Viren, eine hohe Mutationshäufigkeit.

Wird es mRNA-Vakzine auch für die Tumortherapie geben?

Diese Impftechnologie kommt ja ursprünglich aus der onkologischen Forschung. Basis ist die Erkenntnis, dass unser Immunsystem im Kontakt mit Tumorzellen spezifische Antikörper gegen Tumorantigene ausbildet. Und diese Antigene lassen sich in beliebiger Menge über mRNA herstellen und können, in den Körper injiziert, das Immunsystem fit machen, um den Tumor anzugreifen. Die Technologie hat daher in der Krebstherapie sehr viel Potenzial. Bis zu ihrem Einsatz wird es aber noch einige Jahre dauern.

Welche Rolle spielen Labore im Gesamtzusammenhang?

Erfolgreiche Krebstherapien sind im Prinzip nur möglich, wenn eine hoch präzise Diagnostik zuerst erfolgt. Die Labordiagnostik, dazu gehören Analysen des Gewebes sowie die Liquid Biopsy, ist absolut zentral, um die passende Therapie auszuwählen und Erkrankungen zu überwachen. Labore müssen sehr dynamisch agieren, da stets neue Parameter dazukommen.

Welche Aufgaben gilt es in Zukunft zu bewältigen?

Eine der größten Herausforderungen ist es, Resistenzbildungen von Tumorzellen und Metastasen besser zu verstehen, um sie möglichst zu unterbinden. Zweitens wissen wir mittlerweile, dass jeder Erkrankte seinen individuellen Tumor hat. Es ist deshalb nicht mehr so, dass eine Therapie beispielsweise für Lungenkrebs ausreicht, sondern es braucht ganz viele. Drittens sind natürlich die enorm hohen Kosten der Diagnostika und Untersuchungen ein Thema, für das es eine gesundheitspolitische Lösung braucht. Und dann ist da noch Big Data. Wir sehen einfach, dass wir mit der enormen Datenfülle ohne die Hilfe der künstlichen Intelligenz (KI) in Zukunft den großen potenziellen Nutzen von Erfahrungsdaten nicht ausschöpfen können. Hier sind E-Health, Datenregister und kluge Algorithmen die unverzichtbaren Hilfsmittel, die wir implementieren müssen.

Summary

  • In der onkologischen Forschung sind in den vergangenen 30 Jahren wichtige Fortschritte gemacht worden und es sind weitere zu erwarten. An Krebs Erkrankte leben heute viel länger, und selbst fortgeschrittene Tumoren können noch geheilt werden
  • Betroffene haben oft individuelle Tumore, die eine maßgeschneiderte Therapie und präzise Diagnostik erfordern

 

Fotoquelle: Béatrice Devènes

Copyright © Sysmex Europe SE. All rights reserved.